Das Projekt
Im Juni 2020 fiel der Startschuss für das Naturschutzgroßprojekt Mittelelbe - Schwarze Elster (NGP MESE), das von der Heinz Sielmann Stiftung getragen und in enger Kooperation mit der Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe umgesetzt wird.
Die Projektidee wurde durch das Biosphärenreservat Mittelelbe entwickelt und schließlich durch die Heinz Sielmann Stiftung zur Förderung beantragt und initiiert. Die Stiftung ist mit einem eigenen Projektbüro in der Altstadt von Lutherstadt Wittenberg, Schlossstraße 27, vor Ort vertreten. Von hier aus wird das Projekt unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Interessen der Landnutzenden, der lokalen Bevölkerung sowie in enger Zusammenarbeit mit den Projektpartnern koordiniert.
In der 3-jährigen Planungsphase werden zunächst die aktuelle Situation der Tier-, Pflanzenarten und Lebensräume sowie die bestehenden Rahmenbedingungen im Projektgebiet erfasst und insbesondere naturschutzfachlich bewertet. Auf dieser Grundlage können Maßnahmen zur Zielerfüllung geplant und in Absprache mit betroffenen Landwirten und Landwirtinnen (bzw. Landwirtschaftsverbänden), lokalen und regionalen Akteurinnen / Akteuren und der ansässigen Bevölkerung sowie Interessensgruppen und den Partner:innen abgestimmt werden. Nach der Annahme und Genehmigung dieser Planungen sollen die beschlossenen Maßnahmen schrittweise ab 2025 umgesetzt werden (für weitere Informationen bitte nach unten scrollen).
Das Projektgebiet
Das Projektgebiet (= projektbezogener Planungsraum) befindet sich in Sachsen-Anhalt im östlichsten Teil des Biosphärenreservats Mittelelbe. Es verläuft an der Elbe von Pretzsch bis Mühlanger und an der Schwarzen Elster von Jessen bis zur Einmündung in die Elbe. Das Gebiet mit einer Fläche von 4.937 ha umfasst die rezente Aue (noch regelmäßig überflutete Aue) sowie Teile der Altaue und ihrer Gewässer. Die Aue von Elbe und Schwarzer Elster sind im Wesentlichen von landwirtschaftlicher Grünlandnutzung unterschiedlicher Intensitäten bestimmt. Gebietsweise dominieren hier hohe Nutzungsintensitäten mit artenarmen Lebensgemeinschaften.
Fast 90 Prozent der Fläche sind als Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, Natura 2000-Gebiet (FFH und Vogelschutzgebiet) und/oder Biosphärenreservat geschützt.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden der Fluss und seine Auen durch eine Vielzahl an Eingriffen anthropogen (vom Mensch beeinflusst) stark verändert. Hierzu zählen:
- Laufverkürzung durch Durchstiche von Flussmäandern
- Bau von Hochwasserdeichen in der Flussaue
- Bau von Buhnen (Leitwerken) im Fluss zur Verbesserung der Schiffbarkeit
- Anlage von Uferbefestigungen
- Einleitung ungeklärter Abwässer
In Folge der seither zunehmenden Abflussintensität ist in der Elbe eine fortschreitende Sohlerosion (bis zu 2 cm/Jahr) zu beobachten. Dies führt zu einer abnehmenden Häufigkeit der Überflutungsereignisse der Auen und zudem zu einem sinkenden Grundwasserspiegel in den Flussniederungen. Verstärkend dazu hat seit 2013 keine nennenswerte Überflutung der Auen mehr stattgefunden. Die Trockenphasen in den Auen nehmen auf diese Weise zu.
Auentypische Lebensräume, Tier- und Pflanzengemeinschaften werden zurückgedrängt oder gehen verloren, die Bedingungen für land- und forstwirtschaftliche Nutzungen verschlechtern sich.
Flussbegradigungen und natürliche Laufverlagerungen haben an der Elbe und an der Schwarzen Elster zahlreiche Altarme, Altwässer und Feuchtbiotope zurückgelassen.
Das räumliche Mosaik an Biotopen in Flusslandschaften und ihrer Übergangszonen sowie der jahreszeitliche Wechsel der hydrologischen und klimatischen Bedingungen schaffen ein hohes Potential für eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume und können Flusslandschaften zu Hotspots der Biodiversität machen. Die Elbe gilt trotz der o.g. starken Veränderungen unter den Flusslandschaften Europas als partiell noch relativ naturnah erhaltener Tieflandfluss und bietet ein großes Entwicklungspotenzial.
Leitbild und Ziele
Eine strukturreiche Verzahnung aquatischer, semiaquatischer und terrestrischer Lebensräume mit ausgeprägten räumlichen und zeitlichen Gradienten sichert eine große Vielfalt an Lebensbedingungen. Diese Verbindung erhält und verbessert die Ausbreitung, Wiederbesiedlung und den genetischen Austausch des charakteristischen und wertgebenden Arteninventars auch flussauf und flussab gelegener Populationen und Abschnitte. Zahlreiche Auenstrukturen wie Altarme und Flutrinnen sollen vorhanden sein und temporär oder dauerhaft Wasser führen. Die nachhaltige und angepasste Nutzung einer strukturreichen, rezenten Aue sowie das partielle Vorkommen eines artenreichen Auwaldes soll im Rahmen des möglichen Verbesserungspotentials wiederhergestellt sein.
Das NGP MESE setzt Naturschutzziele des Gesamtkonzeptes Elbe beispielhaft um und fügt sich in die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt ein. Die projektbedingte Annäherung an den guten ökologischen Zustand fördert auch die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie.
Beitrag zum Erhalt und zur Entwicklung der flussauentypischen Lebensvielfalt in der Elbe-Flusslandschaft und damit Entgegentreten der negativen Trends
Daneben sollen Naturerleben und Umweltbildung gefördert und die regionale Wertschöpfung lokaler Akteur:innen gesichert werden.
Im Einzelnen werden u.a. folgende Ziele verfolgt:
- Wiederanbindung der Auen und Altarme, Reduktion der Sohlerosion
- Verbesserung des Wasserrückhalts der Auenböden und - gewässer sowie flächenhafte Grundwasserneubildung
- Ökologische Vernetzung von Fluss und Aue, Entwicklung und Stärkung charakteristischer und seltener Lebensgemeinschaften und Biotope
- Förderung von Widerstandskraft und Schutz auentypischer Lebensgemeinschaften gegenüber klimatischen Veränderungen wie zunehmender Trockenheit und Niedrigwasserphasen
- Reaktivierung einer naturnahen Flusslandschaftsentwicklung mit naturnaher Uferstruktur und Strömungsvielfalt am Unterlauf der Schwarzen Elster
- Revitalisierung und Schutz von Lebensräumen und Lebensgemeinschaften im Flussbett, im Uferbereich und in der Aue, Erhalt und Wiederherstellung von Auengewässern mit dauerhafter und temporärer Wasserführung
- Erhalt und Wiederherstellung artenreichen Auengrünlandes, von Auengehölzen und kleinflächigen naturnahen Auwaldbeständen
- Stabilisierung und Schutz von lokalen Vorkommen seltener und gefährdeter Arten
Maßnahmen
Zur Erreichung der Projektziele werden unter anderem folgende Maßnahmen geprüft:
- Anbindung von Altwässern an die Elbe und die Schwarze Elster
- Entschlammung von Altarmen und Altwässern
- Wiederanbindung von Altwässern an das tendenziell sinkende Grundwasserniveau
- Grünlandaufwertung geeigneter Flächen in Abstimmung mit den Landnutzenden
- Kleinflächige Entwicklung von Auwaldstandorten
- Punktuelle Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Arten
- Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit
Ausgewählte Altwässer in der Aue sollen wieder an die Elbe und die Schwarze Elster angebunden werden. Dafür kann es erforderlich werden, die Sedimentfüllungen so weit zu entfernen, dass ein Anschluss an die Flüsse entsteht und die Altwässer ständig oder zeitweise wieder durchflossen werden. Auch ein Wiederanschluss stehender Gewässer an das tendenziell sinkende Grundwasserniveau ist denkbar. Solche Maßnahmen haben nachhaltige Wirkungen über die entwickelten, revitalisierten Standorte hinaus. Lebensräume und Artenvielfalt sollen sich wieder naturnah entwickeln können. Dem Fluss soll wieder mehr Raum und Vielfalt für charakteristische Prozesse und Entwicklungen gegeben werden. Dadurch kann langfristig die Biotopvielfalt in der Aue insgesamt gestärkt und zur Revitalisierung der Biodiversität in der gesamten Auenlandschaft beigetragen werden.
Naturnahe Hartholz- und Weichholzauwälder wurden stark zurückgedrängt und sind nur noch in kleinen Relikten vorhanden. Auf ausgewählten Flächen im Projektgebiet sollen noch bestehende Auwaldstandorte gesichert und entwickelt sowie vereinzelt neue geschaffen werden. Punktuelle Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Tier- und Pflanzenarten, verteilt über das gesamte Projektgebiet, ergänzen die genannten Revitalisierungs-, Naturschutz- und Entwicklungsbemühungen.
Das Projekt wird durch Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit begleitet. Information und die Abstimmung mit der ortsansässigen Bevölkerung und lokalen Verbänden nehmen einen hohen Stellenwert ein. Die Maßnahmen werden im Laufe der Planungsphase bis einschließlich 2023 konkretisiert, ergänzt, abgestimmt und priorisiert.
In unserem Projekt wird es durch die in der Planungszeit laufende Arbeit regelmäßig neue Informationen geben. Erstellen Sie sich ein Lesezeichen für diese Seite und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.